ENZKREIS UND GEMEINDEN IM SCHULTERSCHLUSS: »NUR GEMEINSAM WERDEN WIR DAS HINBEKOMMEN«

WEITERE OBJEKTE FÜR DIE UNTERBRINGUNG VON UKRAINE-FLÜCHTLINGEN - GEMEINDEHALLEN IM FOKUS
 

„Nur gemeinsam, davon bin ich überzeugt, können wir es hinbekommen und diese Krise bewältigen“, sagt Landrat Bastian Rosenau nach einer Video-Schalte mit den Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der Enzkreis-Kommunen. Dort stellte er die aktuelle Situation und die Planung des Kreises zur Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine vor. Und die hat es in sich: Bis zu 1.600 Plätzen fehlen der Kreisverwaltung voraussichtlich für die Vorläufige Unterbringung (VU) bis Ende des Jahres – obwohl rund 600 Plätze kurzfristig neu aufgebaut werden können. Die Städte und Gemeinden bereiten sich auf die Unterbringung in gemeindeeigenen Sport- und Festhallen vor; gesucht wird insbesondere privater Wohnraum für eine mittel- und langfristige Anmietung.
 

Schon seit Anfang der Woche war die Sporthalle der Beruflichen Schule in Mühlacker betriebsbereit. „Allerdings wurden uns erst am Donnerstag vom Regierungspräsidium offiziell die ersten Flüchtlinge aus der Ukraine zugewiesen“, erklärt Dezernent Dr. Daniel Sailer. Die Halle sei nicht für die langfristige Unterbringung gedacht, wie Sailer sagt – im Gegensatz zu dem, was der Kreis aktuell in Kieselbronn und Öschelbronn vorbereitet: Wohnungen in der Siedlung „Im Reible“ und das seit kurzem leerstehende ehemalige Klinikgebäude der Klinik Öschelbronn am Eichhof in Öschelbronn. Zusammen könnten in den beiden Objekten bis zu 400 Menschen eine Bleibe finden – und zwar mindestens bis Ende des Jahres.
 

 

Niefern-Öschelbronns Bürgermeisterin Birgit Förster sagt dazu: „Ich freue mich über das Angebot der Klinikleitung und das entgegengebrachte Vertrauen, das leerstehende Gebäude als VU nutzen zu dürfen. Im Schulterschluss mit dem Landratsamt und unseren Ehrenamtlichen hier vor Ort wird es uns sicher gelingen, den Geflüchteten einen Ruhepol nach den traumatischen Erfahrungen zu bieten, bis sie eine längerfristige Bleibe finden oder zu ihren Familien in die Heimat zurückkehren können.“
 

„Zusammen mit dem Haus Schmie und der Halle in Mühlacker stehen uns dann 570 Plätze zur Verfügung“, sagt Landrat Rosenau. Das werde aber kaum ausreichen, ist er überzeugt – und erinnert an die Jahre 2015 und 2016: „Damals hatten wir in der Spitze fast 4.000 Plätze in der Vorläufigen Unterbringung.“ Ob tatsächlich so viel gebraucht werde, lasse sich aktuell nicht abschätzen. „Aber wir bereiten uns vor“, so der Kreis-Chef. Wenn die Menschen vor der Tür stünden, sei es zu spät. Kalkuliert wird in der Kreisverwaltung mit 2.600 ukrainischen Flüchtlingen bis Ende des Jahres. Hinzu kommen etwa 100 afghanische Ortskräfte sowie 240 Asylbewerber aus anderen Ländern der Welt.
 

Mehrere Cluster im Enzkreis?
 

 

Deshalb ist Rosenau den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern dankbar für deren Engagement. So haben sich Birkenfeld, Engelsbrand, Keltern, Neuenbürg, Remchingen und Straubenhardt darauf verständigt, gemeinsam als „Cluster West“ nach Hallen zu suchen und diese nach einer Prioritätenliste dem Landratsamt zu melden. Als erstes Objekt hat man bereits eine Halle im Auge – im Straubenhardter Ortsteil Schwann. „Ich bin dankbar, dass wir im Verbund von sechs Kommunen geschlossen agieren und unser Clustervorschlag vom Enzkreis aufgegriffen wurde, um Hilfe anbieten zu können. Das wird ein Kraftakt, den wir in der Verantwortung für Menschen in Not selbstverständlich annehmen werden“, betont Straubenhardt Bürgermeister Helge Viehweg.
 

Auch in Mühlacker ist mit der Mehrzweckhalle in Lienzingen ein Objekt in der Vorbereitung. Und in der Großen Kreisstadt kann kurzfristig das frühere Übergangswohnheim in der Bahnhofstraße genutzt werden, das jüngst renoviert wurde. Mühlackers Oberbürgermeister Frank Schneider bedankt sich ausdrücklich auch bei den zahlreichen Bürgerinnen und Bürgern, die Wohnungen und Zimmer für die ukrainischen Flüchtlinge zur Verfügung stellen. „Dadurch stehen uns fast 40 Plätze zur Verfügung, die umgehend belegt werden können. Aber es bedarf weiterer Anstrengungen, um alle Flüchtlinge unterzubringen. Hierfür werden auch weitere Hallen und Wohnungen benötigt“, betont der Oberbürgermeister.
 

„Gemeinsam“ sei das Schlüsselwort, wie Bürgermeister-Sprecher Michael Schmidt sagt – denn Gemeinden und Kreis sitzen im gleichen Boot. „Im Gegensatz zu den Menschen, die 2015 zu uns kamen, gehen die Kriegsflüchtlinge sehr schnell in die Obhut der Gemeinden über“, betont er: „Damals hatten wir in den Kommunen zwei Jahre Zeit, Plätze für die Anschluss-Unterbringung zu schaffen, diesmal sind es nur sechs Monate.“ Mit anderen Worten: Ab Oktober sind die Städte und Gemeinden dafür zuständig, die jetzt kommenden Menschen unterzubringen.
 

Isabel Hansen
 

Ob die aus der Ukraine Geflüchteten dauerhaft in der Region bleiben werden, ob sie zurückkehren können oder sich woanders in Deutschland oder Europa niederlassen werden, kann niemand vorhersagen. Auch die Zahl derer, die im Enzkreis Schutz suchen werden, kennt derzeit niemand. „Wenn der Krieg schnell beendet würde, hätten wir uns vielleicht umsonst vorbereitet“, sagt der Landrat. „Danach sieht es derzeit aber leider nicht aus.“
 

Bis auf weiteres gesucht ist privater Wohnraum. Das Landratsamt koordiniert hier die Meldungen (E-Mail: ukraine-unterbringung (at) enzkreis.de) und gibt für die Anschluss-Unterbringung geeignete Objekte an die Gemeinden weiter. Wie hoch die Miete ist, die das Amt übernehmen kann, hängt von der Größe der Wohnung, der Ausstattung und davon ab, wie viele Menschen dort wohnen können. Ein Merkblatt ist auf der Seite www.enzkreis.de/ukraine abrufbar.

 

(enz)

Vorbereitungen können starten für die Unterbringung von ukrainische Flüchtlingen in der Halle in Schwann. Bild: Enzkreis
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